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Alt trifft neu: Der im Jahr 1934 aus Ortbeton gebaute Entlastungskanal RÜ 99 wird mit Hilfe der modernen GFK-Kurzrohre saniert

Entlastungskanal in Kassel mit GFK-Rohren saniert

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Autor: Redaktion

Geregnet hat es in diesem Jahr in Kassel genügend – Starkregen gab es zum Glück nur zwei Mal. Dann schlägt die Stunde des Entlastungskanals, der am Regenüberlaufbecken RÜ 99 in der Wilhelm-Speck-Straße im Nordosten von Kassel beginnt, über die Gartenstraße verläuft und in einem 90°-Winkel auf das Kläranlagengelände von KASSELWASSER, dem Eigenbetrieb der Stadt Kassel, schwenkt. Kurz vor dem Auslauf in die nahegelegene Fulda ist dem Kanal ein Schieberbauwerk mit zwei Absperrschiebern vorgeschaltet. Erreicht bei Starkregen der Wasserstand eine Höhe von ca. 1,40 m, läuft das Wasser in den Entlastungskanal RÜ 99 über. Jahrzehntelang hat der im Jahr 1934 aus Ortbeton gebaute Entlastungskanal DN 1900 mit Haubenprofil und Trockenwettergerinne zuverlässig seine Arbeit getan; doch die Jahre haben ihre deutliche Spuren hinterlassen: Im Rahmen der Planung für ein neues Hochwasserschutzkonzept wurden im Jahr 2015 bei einem 3-D-Laserscan erhebliche Schäden wie Risse, Wurzeleinwuchs, Korrosionen, einragende Hindernisse und eindringendes Grundwasser festgestellt. An einer Sanierung des Entlastungskanals sowie der Vorkammer des Schieberbauwerkes führte deshalb kein Weg vorbei. „Zur Auswahl standen seinerzeit drei unterschiedliche Verfahren. Letztendlich haben wir uns für die Sanierung mittels GFK-Kurzrohren sowie in kleinen Teilbereichen mit GFK-Platten entschieden“, so Dipl.-Ing. Kai Himmelreich, Leiter des Bereichs Netzbetrieb und Sanierung von KASSELWASSER. Mit der Sanierung beauftragt wurde die Aarsleff Rohrsanierung GmbH. Bei der Wahl des Sanierungsverfahrens ist KASSELWASSER auf Nummer Sicher gegangen und hat die beste Lösung sogar wissenschaftlich erarbeiten lassen.
Drei Sanierungsverfahren zur Wahl
„Der Zufall wollte es, dass seinerzeit ein Studentin ein Praktikum bei uns absolvierte und ein Thema für ihre Bachelorarbeit suchte“, erinnert sich Himmelreich. Da habe es nahe gelegen, die Studentin mit der Untersuchung des geeignetsten Sanierungsverfahrens zu betrauen. „Zur Wahl standen Schlauchlining, Wickelrohrrelining und der Einbau vorgefertigter GFK-Rohre“, so der Bereichsleiter bei KASSELWASSER. Das Wickelrohrrelining sei ausgeschieden, da hierfür eine Baugrube im Bereich des 90°-Schwenks von der Gartenstraße auf das Klärwerksgelände nötig gewesen wäre. Doch ausgerechnet hier verläuft ein Kreuzungskanal über dem zu sanierenden Kanal, was die Erstellung einer Baugrube unmöglich gemacht hat. Gegen das Schlauchlining sprachen die verhältnismäßig langen Aushärtungszeiten, die angesichts der möglichen Flutung des Kanals ein unüberwindbares Problem darstellten. So fiel die Wahl schließlich auf GFK-Rohre DN 1900 mit Drachenprofil, die von Aarsleff auf einer Länge von 300 m zwischen Regenüberlaufbecken und Schieberbauwerk eingebaut wurden, wo das Profil ohne Schacht in ein Rechteckprofil aus Stahlbeton DN 1500 mit einer Länge von 11,5 m wechselt. Die GFK-Rohre überzeugen unter anderem durch ihre große Zug- und Druckfestigkeit sowie ihre hohe chemische Resistenz. Der Rohrproduktion vorausgegangen war eine Kalibrierung im 3-D-Laserverfahren mit Messpunkten im 20-Meter-Abstand, um für die Herstellung der Rohre die exakte und optimale Formgebung unter Berücksichtigung des Ringspaltes zu bestimmen. Ergebnis war ein detaillierter Verlegeplan, der gemeinsam mit dem Rohrhersteller erarbeitet wurde.
Alarmierungssystem bei Flutung
Nach der Erstellung des Plans und Einrichtung der Baustelle konnten die vorbereitenden Arbeiten im Altkanal wie Reinigung, optische Untersuchung, beseitigen von Hindernissen und Grundwassereintritten sowie verschließen der nicht in Betrieb befindlichen Anschlüsse beginnen. Auf eine Wasserhaltung wurde bewusst weitestgehend verzichtet und stattdessen während der Bauphase ein dreistufiges Alarmierungssystem im Bauwerk RÜ 99 eingebaut. Hintergrund ist, dass die anfallenden Wassermengen aus dem Regenüberlaufbecken nicht in die Kläranlage eingeleitet werden können, sondern in die Fulda abgeschlagen werden müssen. Zu- und Abfluss aus dem Entlastungskanal in den Fluss werden über computergesteuerte Absperrschieber im Schieberbauwerk reguliert; ein Überlaufen über die Schwelle bedeutet, dass die Absperrschieber geöffnet werden müssen. Doch aufgrund des unterschiedlichen Wasserstandes der Fulda kann es vorkommen, dass Wasser aus dem Fluss zurück in den Kanal einströmt. Das Alarmierungssystem sorgte während der Sanierung dafür, dass die Arbeiter im Fall einer Alarmierung den Kanal rechtzeitig verlassen können. Und da sämtliche Rohre sofort nach Einbau gegen eine eventuelle Flutung gesichert wurden und die Ringraumverfüllung haltungsweise erfolgte, wäre im Fall einer Flutung nur ein Rohrstück betroffen.
Dauerhafte Abdichtung
Die im Wickelrohrverfahren Ende August 2017 hergestellten GFK-Rohre in Längen zwischen 0,5 und 2,35 m sowie einer Wanddicke von bis zu 37 mm wurden über zwei rund 5,50 m tiefe und 4 x 3 m breite Baugruben eingebracht, wovon die eine in der Gartenstraße hergestellt wurde. „Auf dem Klärwerksgelände mussten wir erst einmal einen geeigneten Ort finden, was angesichts der vielen dort verlaufenden Leitungen gar nicht so einfach war“, erklärt Himmelreich. „Man muss sich dass wie im Hochspannungswerk vorstellen – nur unterirdisch.“ Schließlich begann Anfang Oktober die eigentliche Rohrsanierung. Mit einem Transportwagen wurden die GFK-Rohre zum Einbauort befördert und dort fachgerecht verlegt, wobei das Muffe-Spitzende-System mit Lippendichtung für eine dauerhafte Abdichtung sorgt. Das hohe Gewicht der Rohre zusammen mir dem Eigengewicht des Transportwagens machte es nötig, die Sohle das Altkanals teilweise zu betonieren, um einen ausreichend stabilen Untergrund für den Fahrwagen herzustellen. Immerhin bringen Rohr und Transportwagen bis zu 2 t Gewicht auf die Waage. Eine weitere Herausforderung stellte der 90-Grad-Bogen im Übergang zum Klärwerksgelände dar: „Hier wurden die trapezförmigen Sonderprofile stumpf anschlagend verlegt und von innen handlaminiert“, erläutert der Aarsleff-Bauleiter. Schließlich konnten die 14 Hausanschlüsse im Bereich der Wilhelm-Speck-Straße und Gartenstraße fachgerecht an die neu verlegten Rohre von innen angeschlossen werden.
Haltungsweise 3-lagige Ringraumverfüllung
Die Verfüllung des Ringraums zwischen GFK-Rohr und Altrohr erfolgte haltungsweise auf Basis einer statischen Berechnung nach ATV-M127 Teil 2. Hierbei kam den Baubeteiligten zugute, dass sich in unmittelbarer Nähe der Baustelle ein Betonwerk befindet, das die Belieferung der Baustelle mit dem Dämmbaustoff übernahm, wo er mittels Schneckenpumpe zum angesteuerten Bereich befördert wurde. Aufgrund der hohen Anforderungen an die zuverlässige Auftriebssicherung erfolgte das Einbringen der Ringraumverfüllung in drei Lagen. Parallel zur Verlegung der GFK-Rohre erfolgte der Einbau von GFK-Platten im Rechteckprofil sowie in der Vorkammer des Schieberbauwerkes. Hier wurden die 3 mm Platten verdübelt und anschließend Handlaminat bis zu einer Dicke von 2 mm aufgebracht. Der Übergang von den neuen GFK-Rohren zum Rechteckprofil wurde ebenfalls mit Handlaminat abgedichtet und anschließend mit Dämmer hinterfüllt.
Enge Abstimmung und langjährige Erfahrung
Nach rund zwei Monaten konnte die eigentliche Rohrsanierung erfolgreich abgeschlossen und anschließend die Hausanschlüsse hergestellt werden. Schließlich fand noch die haltungsweise Dichtigkeitsprüfung in Form einer Unterdruckprüfung statt. Trotz des straffen Zeitplans und der vielen Herausforderungen ist es zu keiner nennenswerten Verzögerung gekommen. Entsprechend zufrieden ist, Kai Himmelreich von KASSELWASSER mit dem Bauablauf. Eine enge Abstimmung der Baubeteiligten untereinander und nicht zuletzt die langjährige Erfahrung von Aarsleff Rohrsanierung nennt der Leiter des Bereichs Netzbetrieb und Sanierung als wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Sanierung des Entlastungskanals RÜ 99. Ergebnis ist ein statisch tragfähiges und dichtes Abwassersystem mit einer Nutzungsdauer von bis zu 80 Jahren.
Kontakt: Aarsleff Rohrsaneirung GmbH, Röthenbach/Pegnitz, Tel. +49 911 95773-0, www.aarsleff-gmbh.de

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