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Grobstoffrückhalt bei Sanierung in ein Regenüberlaufbecken eingebaut

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Autor: Kathrin Mundt

Die Montage der Amiscreen-Elemente wurde während des laufenden Betriebes realisiert. Zwischenzeitliche Einstauereignisse mussten beachtet werden und waren von Anfang an eingeplant

Seit Ende 2020 kann das baden-württembergische Spaichingen ein neues technisches Highlight vorweisen. Hier wurde zum ersten Mal die bewährte Grobstoffrückhaltung Amiscreen bei einer Sanierung in ein Regenüberlaufbecken eingebaut. Bislang kam dieses innovative System der Amiblu Germany GmbH nur im Bereich Neubau von Stauraumkanälen zum Einsatz. Geplant wurde die Sanierungsmaßnahme im Auftrag der Tiefbauverwaltung der Stadt Spaichingen von Breinlinger Ingenieure Hoch- und Tiefbau GmbH, Tuttlingen. Den Einbau des Amiscreen-Systems und die Sanierungsarbeiten am Regenüberlaufbecken führten die Mitarbeiter von Leonhard Störk Hoch- und Tiefbau GmbH, Emmingen-Liptingen, aus.

Schmutzfracht ist das Problem

In Deutschland gab es laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2016 rund 25.123 Regenüberlaufbecken. „Der Großteil stammt aus den 1960er bzw. 1970er Jahren und ist unterirdisch aus Beton errichtet worden“, erläutert Uwe Napierski, Amiblu-Vertriebsleiter für Sonderanwendungen, die Situation. Damals bestand die einzige Aufgabe darin, bei Regenereignissen das mit Niederschlagswasser verdünnte Mischwasser zunächst zur hydraulischen Entlastung des Kanalnetzes sowie der Kläranlage zwischenzuspeichern und dann nach und nach in die Kanalisation abzugeben bzw. im Falle der Vollfüllung des Beckens direkt in ein angrenzendes Gewässer zu entlasten. Im Laufe der Jahre aber haben sich die Normen und Regelwerke hinsichtlich der technischen Ausrüstung dieser Anlagen deutlich verschärft. Wobei das Hauptaugenmerk auf der Reduzierung des Schmutzfrachteintrages in die Gewässer lag. Eine Rolle spielte dabei auch, dass sich Anwohner nach starken Regenfällen über sichtbare Schmutzstoffe aus dem Abwasser beschwerten, die teilweise als Rückstände in den Gräben und in den Sträuchern an den Randbereichen der Vorfluter zurückblieben.

Sauber ist das Ziel

„Im Rahmen des Gewässergüteprojektes Prim hat die Tiefbauverwaltung der Stadt Spaichingen festgestellt, dass es nach Starkregenereignissen einen gewissen Schadstoffeintrag in die Prim gibt“, erläutert Dietmar Hagen vom Ingenieurbüro Breinlinger. „Als Ursache konnten hierfür u. a. die Abschläge aus den Regenüberlaufbecken entlang des Weppachs ausgemacht werden. Bei dem jetzt sanierten Becken Längelenweg gab es zusätzlich das Problem, dass das Wasser über den Weppach direkt in ein Naherholungsgebiet mit einem Ententeich gelangt und sich dort die abgeschwemmten Stoffe und Hygieneartikel gesammelt haben“, so Hagen weiter zur konkreten Ausgangssituation. Erste Ideen, den Schmutzstoffeintrag zukünftig zu vermeiden, waren ein Umbau des gesamten Regenüberlaufbeckens und der Einbau einer klassischen Rechenanlage. „Diese Rechen verstopfen aber relativ schnell und mechanische, sich selbstreinigende Anlagen sind mitunter sehr wartungsintensiv und führen erfahrungsgemäß immer wieder zu Problemen“, beschreibt Napierski die bekannten Nachteile. Zudem führen Rechenanlagen, die auf der Ablaufschwelle montiert werden, zu einer Vergrößerung der Aufstauhöhe und damit zu einem höheren Rückstau oder alternativ zu einem verringertem Stauraumvolumen.

Je größer, desto besser

Genau an diesem Punkt setzt die von Amiblu entwickelte Systemlösung „Amiscreen“ an. „Vor ungefähr zehn Jahren haben wir damit begonnen, uns Gedanken über die Beschaffenheit eines Rechens zu machen, der weder schnell verstopft noch nach jedem großen Regenereignis inspiziert und gereinigt werden muss“, so Napierski die ersten Schritte der umfänglichen Entwicklungsarbeit. „Darüber hinaus sollte der Rechen ohne mechanische oder elektronische Elemente funktionieren, um auch hier eine Fehleranfälligkeit zu vermeiden“, so Napierski weiter. Die Überlegung bestand darin, einen sozusagen „unendlich“ großen Rechen zu konstruieren, der aufgrund seiner Größe per se nicht verstopfen kann. Dies bedeutete aber gleichzeitig, dass ein solcher Rechen nicht wie herkömmliche Systeme auf der Ablaufschwelle montiert werden kann. In der Folge wurde ein vollständig neuer Weg beschritten, indem die Rechenanlage in Form von Gitterröhren in den Speicherraum verlegt wurde. Diese innovative Systemgeometrie wurde zwischenzeitlich patentrechtlich geschützt.

Die Rechenelemente bestehen aus einem GFK-Stützkörper, der mit einem perforierten PE-HD-Netz überzogen ist. So werden die Schmutzstoffe an der Außenfläche zurückgehalten und das grobstofffreie Mischwasser fließt durch das Innere der Rohre in Richtung Überlauf

Genial einfach

Die Gitterröhren werden aus je 2 m langen Rohren zusammengesetzt, die aus einem GFK-Stützkörper bestehen, der mit einem perforierten PE-HD-Netz überzogen ist. Zusammenmontiert ergeben sie den Rechen, der mit Edelstahlaufhängungen in den Speicherraum gehängt wird. Die aktuell verwendete Maschenweite des Netzes beträgt 8 x 8 mm. So werden Grobstoffe mit einer Korngröße von 8 mm und größer zu 100 % und kleinere Partikel beispielsweise mit 4 mm zu 50 % sowie Schmutzstoffe von 2 mm zu 25 % ausgefiltert. Ein weiterer Vorteil dieses sehr langen Rechens im Speicherinneren besteht darin, dass er zu keinem zusätzlichen Aufstau des Mischwassers im Speicherbecken führt. Die mittlere Durchflussgeschwindigkeit durch die Perforation des Rechens liegt deutlich unter 0,05 m/s wodurch die Feststoffe im Stauraumspeicher weiterhin sedimentieren können.

„2014 haben wir erfolgreich ein erstes Referenzprojekt mit Amiscreen bei einem Neubau eines GFK-Stauraumkanals umgesetzt“, so Napierski. Dieser sei regelwerkskonform nach einem Jahr gereinigt worden und habe dabei nur leichte Verschmutzungen aufgewiesen, die grundsätzlich noch keine Reinigung erfordert hätten. „Seitdem haben wir viel Erfahrung in zahlreichen Anwendungen in Stauraumkanälen gesammelt und das System dabei ständig optimiert. Nun haben wir einen Rechen, der einmal integriert über einen langen Zeitraum ohne Zwischenreinigung, Inspektion und Wartung arbeitet. Die jährliche Reinigung erfolgt turnusmäßig mit dem Speicherraum zusammen mit Hilfe herkömmlicher Kanalreinigungsfahrzeuge“, führt Napierski aus. Folgerichtig sei es nun an der Zeit gewesen, den nächsten Schritt zu gehen: Dieser bestand in einer Anwendung größeren Maßstabs im Rahmen der Sanierung eines unterirdischen Regenüberlaufbeckens.

Insgesamt fünf Rohrstränge mit jeweils einer Länge von 18 m halten in Spaichingen zukünftig die Grobstoffe zurück. Das installierte Amiscreen-System besitzt eine Rechenfläche von 177 qm, was einer Schwellenlänge bei einem klassischen Rechensystem von über 177 m entspricht. Fotos: Amiblu

177 qm Rechenfläche

Die Besonderheit bei dem Einbau des Amiscreen-Systems in ein Regenüberlaufbecken liegt in der Geometrie und Größe der Becken. In Spaichingen wurden auf Grundlage der Beckengröße und der zu erwartenden Wassermenge fünf Rohrstränge mit jeweils einer Länge von 18 m in den Speicherbereich installiert. „So erreicht das System eine Rechenfläche von ungefähr 177 qm“, erläutert Hagen. Am Ende der fünf Rohrstränge wurden GFK-Steigrohre zur Bauwerksdecke angeordnet, durch die die einzelnen Stränge inspiziert und bei Bedarf auch gespült werden können. Zusätzlich wurde die vorhandene Schwellenlänge des Beckens durch den Umbau mit zwei Quelltöpfen aus GFK vergrößert. Auch diese Quelltöpfe lieferte Amiblu. Die Aufhängung des Amiscreen-Systems erfolgte mit Edelstahlaufhängungen, wie sie bei Brückenabhängungen für Rohrleitungen zum Einsatz kommen. Das sei ein zusätzlicher Vorteil, wie Gerold Honer, Leiter Tiefbauverwaltung Spaichingen, anmerkt: „Das System lässt sich sehr gut in das bestehende Becken integrieren, ohne einen aufwändigen Umbau.“ Und weiter: „Letztlich erwies es sich sogar kostengünstiger als die zunächst geplante Variante, die einen kompletten Umbau des gesamten Beckens und den Einbau eines konventionellen Rechens vorgesehen hatte. Durch den Wegfall beweglicher Teile an der Rechenanlage erwarten wir zudem Einsparungen von Wartungs- und Unterhaltskosten, wie z. B. Stromkosten.“

Die zurückgehaltenen Schmutzstoffe werden nach dem Regenereignis über die Spülkippe in eine Rinne am Beckenboden abgespült und von da regelmäßig in den Kanal gepumpt. Von dort gelangen sie in die Kläranlage. Diese Einrichtungen waren auch schon vorher vorhanden und hätten auch bei einem anderen Rechensystem weiter betrieben werden müssen. Honer: „Wir wollen nun das System hinsichtlich Reinigungsleistung und Verschmutzung die nächsten zwei Jahre beobachten. Wenn dann positive Ergebnisse vorliegen, können wir uns vorstellen, auch andere Becken mit Amiscreen auszustatten.“

Nach einer Vielzahl von Regenereignissen zeigen sich an der Außenfläche des Amiscreen-Systems Verschmutzungen, die die Funktionsweise jedoch kaum beeinflussen und permanent über den Schmutzstoffsensor überwacht werden

Smart Piping ist die Zukunft

Damit in Spaichingen nach den zwei Jahren Beobachtungszeit noch weitere Regenüberlaufbecken mit dem innovativen Rechensystem ausgerüstet werden können, hat Amiblu zusätzlich eigene Schmutzsensoren entwickelt. So kann jederzeit erkannt werden, wann eine Reinigung genau erforderlich ist. Eine Entwicklung, die der CEO der Amiblu-Holding, Dr. Alexander Frech, begrüßt: „Derzeit findet eine zunehmende Digitalisierung der Wasserwirtschaft statt. Dieser Entwicklung möchten wir uns auch bei Amiblu nicht verschließen. Ein sehr schönes Resultat in eine solche Richtung ist die aktuelle Amiscreen Systemlösung, da sie in Kombination mit smarter Sensortechnik das erste Produkt in Richtung intelligenter Rohrsysteme aus unserem Hause ist. Besser bekannt sind solche Anwendungen unter dem Begriff Smart Piping.“
Durch das Beobachten und Messen des Verschmutzungsgrades ist eine anlassbezogene Reinigung und Wartung des Systems anstelle einer turnusmäßigen möglich. Das spart neben Kosten vor allem die wertvolle Ressource Wasser. Dabei bedeutet die Kombination von Amiscreen und intelligenter Sensorik, so Dr. Frech, aber nur einen ersten Schritt auf dem Weg zu Smart Piping. „Generell ist es unser Ziel, Sensoren in unsere Rohre und Produkte einzubauen. Aktuell arbeiten wir an intelligenten Rohrsystemen sowohl für den Abwasser- als auch den Trinkwasserbereich, mit denen wir die Betreiber der Netze in die Lage versetzen werden, eine bessere Kenntnis über die Zusammensetzung der in den Leitungen befindlichen Medien zu erlangen.“

So könne man zukünftig beispielsweise Medikamentenrückstände im Abwasser erkennen und entsprechend reagieren. „Jeder kennt das Problem mit Antibiotikaresistenzen. Aber aktuell gibt es fast nirgendwo in Europa die vierte Klärstufe in der Abwasserreinigung, mit der diese Rückstände herausgefiltert werden können. Durch das Sammeln der Daten über den Verschmutzungsgrad und die Bestandteile des Abwassers können die Kläranlagen gezielt nachgerüstet werden. Das bietet einen enormen Mehrwert für die Umwelt und für kommende Generationen. Zudem ist dies ein weiterer wichtiger Baustein einer zukunftsfähigen Amiblu-Unternehmensphilosophie: Neugier, Mut, Kompetenz, Verantwortung und Zusammenarbeit – immer mit dem Ziel, Rohre zu entwickeln, die für Generationen gemacht sind“, so die feste Überzeugung Dr. Frechs. Ein erster Einstieg sei dabei das intelligente Amiscreen-System, bei dem Napierski und sein Team hervorragende Entwicklungsarbeit geleistet hätten.

Rundum-Service ist das Ziel

Für Deutschland hat Napierski schon den nächsten konkreten Entwicklungsschritt vor Augen: „In naher Zukunft sollen die Daten der einzelnen in Betrieb befindlichen Systeme über eine webbasierte Plattform gesammelt, beobachtet und verwaltet werden können. Über eine eigene Service GmbH, die wir zeitnah gründen werden, möchten wir dem Kunden dann ein Rundum-Sorglos-Paket für seine Regenüberlaufbecken und Stauraumkanäle anbieten: Von der Planung über den Bau bis hin zur Wartung können wir dann alles komplett für den Kunden übernehmen.“ Das sei gerade für kleinere Kommunen interessant, die für ihre Regenüberlaufbecken selbst verantwortlich sind. Napierski: „Unser Amiscreen ist dabei ein Baustein, den wir zusammen mit den Schmutzsensoren dem Kunden anbieten, damit er den gesetzlichen Vorgaben der Grobstoffrückhaltung gerecht werden kann.“

Damit gehören dann zukünftig nicht nur unansehnliche Rückstände aus dem Mischwasser nach Regenereignissen der Vergangenheit an.

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