Wasserstoff hat den erheblichen Vorteil, dass bei seiner energetischen Nutzung keine CO2-Emissionen entstehen. Zudem lässt er sich erneuerbar herstellen und kann in Industrie, Wärmeversorgung und Mobilität vielseitig genutzt werden. „Die Regelwerks-Weiterentwicklung schafft in der Praxis der Gasversorgung eine wichtige Voraussetzung, um den klimaschonenden Energieträger Wasserstoff technisch sicher in das vorhandene Leitungssystem zu integrieren“, sagt der DVGW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gerald Linke zum Beginn der Regelsetzung.
Das künftige Regelwerk soll zunächst eine Zielgröße von etwa 20 Vol.-% Wasserstoffeinspeisung anpeilen. Das bestehende DVGW-Regelwerk ermöglicht bereits heute überall dort, wo es keine Einschränkungen durch spezifische Anwendungen gibt, Beimischungen von knapp 10 % in das vorhandene Gasnetz. Bis zum Jahr 2030 soll dieser Wert von 10 % ohne Einschränkungen regelwerksseitig verbindlich gelten. Das Ziel liegt jedoch deutlich höher: „20 % erscheinen uns nach heutigem Kenntnisstand technisch machbar. Wahrscheinlich können dann einige Netzteile sogar mehr. Doch wir müssen auch immer die Endanwendungen im Blick behalten“, so Gerald Linke. „Unabhängig davon glauben wir, zukünftig über das System in Summe mehr als 50 % grüne Gase, wie z. B. Biomethan, zu transportieren“.
Steigende Wasserstoffanteile erfordern netz- und geräteseitige Anpassungen. Aufgrund der spezifischen Eigenschaften müssen bei höheren Wasserstoffbeimischungen z. B. andere Werkstoffe in Verdichtern, Heizkesseln oder Fahrzeugtanks zum Einsatz kommen. Wird Wasserstoff in einem weiteren Prozessschritt in synthetisches Methan umgewandelt, ist sogar eine unbegrenzte Beimischung ohne Geräteanpassung möglich. „Dennoch ist es absolut sinnvoll, die Erdgasinfrastrukturen zunächst auch für die Wasserstoffbeimischung zu öffnen und zu ertüchtigen. Dadurch werden weitere Umwandlungsverluste durch die Methanisierung vermieden und Effizienzen gesteigert“, bekräftigt Linke.
Der DVGW arbeitet bereits seit mehreren Jahren aktiv an der Ausrichtung des bestehenden Regelwerkes für Gasinfrastrukturen und Gasanwendungen auf höhere Wasserstoffanteile. Damit bald ein zukunftsweisendes System technischer Regeln für die gesamte Power-to-Gas-Prozesskette zur Verfügung steht, soll langfristig das bestehende Regelwerk gemeinsam mit dem Kooperationspartner DWV (Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband) um ein neues für 100 % Wasserstoff ergänzt werden. Hierfür werden die zukünftigen Forschungsergebnisse des DVGW und seiner Institute als Grundlage dienen.
Gemeinsam mit der Politik entwickelt der DVGW die Gasinfrastruktur im Sinne der Energiewende und des Klimaschutzes weiter. Denn Deutschland verfügt über ein rund 530.000 Kilometer langes Gasnetz, das zusammen mit den Gasspeichern als Puffer Schwankungen der regenerativen Stromerzeugung ausgleichen kann. Über Power-to-Gas erzeugter Wasserstoff kann – mit einer entsprechenden Systemanpassung – direkt in die Gasnetze eingespeist und bedarfsgerecht in den verschiedenen Sektoren weiterverwendet werden. Er ist damit ein tragendes Element der zukünftigen „Zwei-Energieträger-Welt“.
Der DVGW besitzt auf jahrzehntelangen Erfahrungen basierende Kompetenzen im Bereich Forschung und Entwicklung sowie die Expertise zur regulativen Absicherung einer verlässlichen und modernen Infrastruktur. Als anerkannter Regelsetzer ermittelt der DVGW aktuellen Normungsbedarf und entwickelt das Regelwerk kontinuierlich weiter. In diesen transparenten Prozess lassen maßgebliche Fachkreise ihre Fachkenntnisse und Praxiserfahrungen einfließen. So ist eine Dynamik der Technischen Regeln gewährleistet, die eine Gasversorgung auf neuestem Stand garantiert.
Mehr zum Thema Wasserstoff können Sie beim 11. Internationalen Symposium Pipelinetechnik am 6. Juni 2019 im RuhrCongress in Bochum erfahren. Dort hält der DVGW den Vortrag “Wasserstoff in Leitungen – nach welchem Regelwerk eigentlich?”
Hier finden Sie alle weiteren Informationen zu der Veranstaltung.
Spartenübergreifendes Infrastrukturprojekt “Eifelpipeline” in Betrieb genommen
Mit der feierlichen Inbetriebnahme des Regionalen Verbundnetzes Westeifel, auch als „Eifelpipeline“ bekannt, wurde am 2. September ein bundesweit einmaliges Infrastrukturprojekt offiziell in Betrieb genommen. Das Projekt, das seit 2018 in der Westeifel realisiert wird, verbindet die Trinkwasser- und Energieversorgung sowie die Digitalisierung der Region in einem integrierten System und sichert damit die nachhaltige Versorgung der Menschen im Projektgebiet.