Generic filters
FS Logoi

Ausstieg aus Gas, Einstieg in Wasserstoff – VKU veröffentlicht neue Studie

Im Zuge der Wärmewende wird über die Rolle von Wasserstoff und die Zukunft der Gasverteilnetze heftig gestritten. Spätestens 2045 wird kein fossiles Gas mehr durch die 330.000 km langen Gasverteilnetze fließen, die zurzeit noch jede zweite Wohnung in Deutschland zur Wärmeversorgung beliefern. Technisch ließen sie sich aber durchaus umrüsten für grüne Gase, zum Beispiel Wasserstoff […]

von | 05.07.23

Wasserstofftransport
Hydrogen_512142877_AdobeStock

Im Zuge der Wärmewende wird über die Rolle von Wasserstoff und die Zukunft der Gasverteilnetze heftig gestritten. Spätestens 2045 wird kein fossiles Gas mehr durch die 330.000 km langen Gasverteilnetze fließen, die zurzeit noch jede zweite Wohnung in Deutschland zur Wärmeversorgung beliefern. Technisch ließen sie sich aber durchaus umrüsten für grüne Gase, zum Beispiel Wasserstoff oder Biomethan, beispielsweise aus der Abfall- oder Abwasserentsorgung. Und auch als Speicher kann man sie nutzen. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU): „Grundsätzlich geht es um zwei Optionen: Umnutzung oder Außerbetriebnahme. Wir sind für einen geordneten Ausstieg aus fossilem Erdgas und einen Einstieg in klimaneutrale Gase wie Wasserstoff – und zwar dort, wo es sinnvoll ist. Das heißt weder, das wir alle Gasnetze umnutzen müssen, noch das wir alle Gasnetze außer Betrieb nehmen oder gar aus dem Boden reißen. Die Transformation hängt von den örtlichen Bedingungen ab.“

Und weiter: „Was uns dafür fehlt ist jedoch die passende Regulierung. Ob Stilllegung oder Umnutzung – für beide Optionen brauchen wir Antworten und Lösungen für zahlreiche Herausforderungen, da die bisherige Regulierung auf den dauerhaften Betrieb der Gasnetze ausgerichtet ist. Bei der Wärmewende müssen wir Infrastrukturen immer und zwingend mitdenken.“

Neue Studie zeigt, wie dringend sich der Regulierungsrahmen ändern muss

Eine vom VKU in Auftrag gegebene Studie der Rechtsanwaltskanzlei Becker Büttner Held (BBH-Gruppe) unter der Leitung von Prof. Dr. Ines Zenke zeigt vier Zukunftsszenarien für die Nutzung der Gasnetze auf und adressiert den Handlungsbedarf. Ziel der Studie mit dem Titel „Regulatorische Anpassungsbedarfe zur Transformation der Gasversorgung im Kontext der Wärmewende“ ist, aufzuzeigen, bei welchen Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene konkret Anpassungsbedarf besteht: je nach künftigem Nutzungsszenario zum Beispiel bei den Regelungen zu Netzentgelten, der Anschluss- und Versorgungspflicht, Abschreibungen, Nutzungsdauer, bei der Eigenkapital-Verzinsung, bei der Finanzierung, bei Konzessionsverträgen und Entflechtungsregeln (sogenanntes Unbundling).

Prof. Dr. Ines Zenke: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das heutige Erdgasnetz künftig komplett stillgelegt, komplett umgewidmet oder komplett weitergeführt werden wird. Es gibt aber auch kein Modell, das auf alle Orte anwendbar ist. Am wahrscheinlichsten ist eine Mischung, entscheidend muss dabei die jeweilige Situation vor Ort sein.“

Liebing ergänzt: „Diese lokalen Potenziale können wir mit kommunalen Wärmeplänen heben. Mit ihnen können Städte und Gemeinden ihre eigene Strategie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung entwickeln und die Technologie wählen, die optimal und kostengünstig zu den Bedingungen vor Ort passt. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens zahlen genau auf diese Position ein. Eine flächendeckende und verbindliche Wärmeplanung ist der richtige Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045.“

Klimawandel, Pandemie, hohe Energiepreise, allgemeine Inflation, Ukraine-Krieg: „Die aktuelle politische Ausgangslage ist komplex wie selten zuvor“, heißt es weiter in der Studie. Die Wärmewende dürfe die Versorgungssicherheit nicht gefährden, müsse Resilienz sicherstellen und dürfe Nutzer oder Anbieter finanziell nicht überfordern, so dass der soziale Frieden bedroht ist.

„Daher ist es so entscheidend, neben Strom- und Wärmenetzen auch die sinnvolle Option zu haben, die Gasinfrastruktur bei der Wärmewende mit einzubeziehen“, Liebing abschließend.

Konkret schlägt die Studie zum Beispiel vor:

  • Die Kommunale Wärmeplanung (KWP) künftig als zentrale Stellgröße für die Weiterentwicklung der Regulierungen zu nutzen. Das eine passende Modell für alle kann es nicht geben, weil Energie-Quellen, Infrastrukturen und Verbrauch genauso wie der energetische Zustand des Gebäude-Bestands von Ort zu Ort verschieden sind. Folglich sollten auch die Entscheidungen zur Strategie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung vor Ort getroffen werden. Die KWP kann als Kenngröße und Benchmark verstanden und genutzt werden. Und Netzbetreiber, -Nutzer und Bürgerinnen und Bürger sollten sich darauf langfristig verlassen können.
  • Die Netzregulierung flexibel anzupassen, um den Wandel der Gasnetze für alle tragbar zu gestalten. Beispiel: Sollte der Betrieb des Gasnetzes ganz oder teilweise auslaufen und auf Fernwärme oder Wärmepumpe umgestellt werden sollen, sollten auch die Abschreibungsdauern flexibel verkürzt werden können.
  • Wer heute Gasnetze betreibt, soll morgen Wasserstoffnetze betreiben dürfen. Auf EU-Ebene plant die Kommission das Unbundling der Gas- und Wasserstoffnetze, also der eigentumsrechtlichen Trennung des Wasserstoff- und Gasnetzes auf Verteilnetzebene. Damit würden unnötige bürokratische Hürden errichtet und effizienter Netzbetrieb verhindert. Besser wäre es, die schon bei Strom- und Gasnetzen bewährte Unterscheidung zwischen Fernleitungsbetreibern und Verteilnetzbetreibern zu erhalten.
  • Reserve statt Rückbau: Nicht länger genutzte Gasnetze sollten auch in einen Reservebetrieb gehen können. Das ließe Möglichkeiten für die Zukunft offen, würde die Resilienz stärken. Rückbau- und dann Wiedererrichtungskosten würden damit vermieden.

 

Die komplette Studie zum Download

(Quelle: VKU)

 

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Informier' dich doch!

Jetzt den monatlichen 3R-info-Newsletter abonnieren!

Ina Kamps wird Chief Operating Officer (COO) bei TenneT Germany
Ina Kamps wird Chief Operating Officer (COO) bei TenneT Germany

TenneT Germany beruft Ina Kamps mit Wirkung zum 1. Dezember 2025 in die Geschäftsführung. Als Chief Operating Officer (COO) wird sie für das operative Geschäft von TenneT Germany zuständig sein und sich insbesondere auf den Netzausbau an Land und auf See, Wartung und Betrieb des Netzes und Safety konzentrieren.

mehr lesen
23. Schlauchlinertag und 14. Reparaturtag 2025 in Fulda
23. Schlauchlinertag und 14. Reparaturtag 2025 in Fulda

Der 23. Deutsche Schlauchlinertag und der 14. Deutsche Reparaturtag am 16. und 17. September 2025 in Fulda bieten erneut eine zentrale Plattform für qualitätsorientierte und praxisnahe Lösungen in der Kanalsanierung. Im Fokus stehen diesmal eine konsequente Qualitätssicherung in Planung und Bauausführung, aktuelle technische Entwicklungen und betriebliche Herausforderungen sowie nicht zuletzt kluge Strategien im Umgang mit dem Fachkräftemangel – auch auf Basis von KI und einer zunehmenden Automatisierung.

mehr lesen
38. Lindauer Seminar in 2026: Call for Papers
38. Lindauer Seminar in 2026: Call for Papers

Die Vorbereitungen für das 38. Lindauer Seminar am 12. und 13. März 2026 in Lindau laufen bereits. Der Fokus liegt im kommenden Jahr auf der Zukunftsfähigkeit von Entwässerungssystemen sowie auf praxisnahen Lösungen für den Kanalbetrieb und die Instandhaltung. Die Organisatoren rufen zur Einreichung von passenden Beiträgen bis zum 29. Juli 2025 auf.

mehr lesen
INES-Gas-Szenarien: Schleppende Befüllung der Gasspeicher in Deutschland
INES-Gas-Szenarien: Schleppende Befüllung der Gasspeicher in Deutschland

Mit dem aktuellen Juli-Update analysiert die Initiative Energien Speichern (INES) die Gasversorgungslage in Deutschland für den kommenden Winter. Derzeit sind rund 70 % der deutschen Gasspeicherkapazitäten durch Marktakteure gebucht – entsprechend können sie zu diesem Anteil befüllt werden. Für eine sichere Versorgung auch bei sehr kalten Temperaturen reicht ein Füllstand von 70 % jedoch nicht aus.

mehr lesen

Publikationen zum Thema

Einfluss von Wasserstoff auf Kunststoffrohre und Formteile untersucht: Wasserstoffintegrität belegt

Einfluss von Wasserstoff auf Kunststoffrohre und Formteile untersucht: Wasserstoffintegrität belegt

Autor: Von Andreas Redmann
Themenbereich: Rohrleitungstechnik

Als Energieträger der Zukunft soll grüner Wasserstoff zur Dekarbonisierung von Gebäuden, Verkehr und Industrie beitragen. Um dieses Potenzial gerade für den Gebäudesektor produktiv zu machen, gilt es aktuell die in Gasverteilnetzen eingesetzten ...

Zum Produkt

Wasserstoff aus Verteilnetzsicht – Beimischung oder 100 %?

Wasserstoff aus Verteilnetzsicht – Beimischung oder 100 %?

Autor: Von Jörg Heinen, Stefan Stollenwerk und Martin Wiggering
Themenbereich: Gas & Erdgas

Anhand öffentlich zugänglicher Daten und relevanter technischer Parameter wird der aktuelle Stand der Wasserstoffintegration in öffentliche Gasnetze auf deutscher und europäischer Ebene untersucht. Die Ergebnisse werden diskutiert und um ...

Zum Produkt

Polyamid 12 für den Betrieb von Gasrohrleitungen bis 16/18 bar

Polyamid 12 für den Betrieb von Gasrohrleitungen bis 16/18 bar

Autor: Von Hermann van Laak, Jan Heimink, Andreas Frank, Mario Messiha, Thomas Kratochvilla und Christoph Bruckner
Themenbereich: Rohrleitungstechnik

Dieser Fachbericht präsentiert Polyamid 12 (PA-U12) für Hochdruckrohrleitungen als eine einfach zu installierende Alternative zu Stahl. Sie weist das hervorragende Eigenschaftsprofil von PA-U12-Rohren für alternative Verlegetechniken nach, und ...

Zum Produkt