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Kanalsanierung: Pilotprojekt Grundstücksentwässerungsanlagen in BW

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Autor: Sina Ruhwedel

Damit Abwasser ordnungsgemäß zur Kläranlage fließen kann, bedarf es einer Vielzahl unterirdischer Kanäle – und zwar sowohl auf Gemeindegebiet als auch auf privaten Grundstücken. Allein in Baden-Württemberg gibt es Schätzungen zufolge 150.000 Kilometer Abwasserleitungen im Bereich der privaten Grundstücksentwässerung. Wie es um diese Kanäle bestellt ist und wie hoch der Sanierungsbedarf einzuschätzen ist, wird derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts in drei Kommunen des Landes erforscht. Zum Stand der Untersuchungen gab die Stadt Ettlingen nun einen Überblick – und gleichzeitig auch vor Ort einen Einblick in die Unterwelt der häuslichen Abwasserkanäle.

Klaus Zintz:

„Bei der privaten Heizung daheim kommt mindestens alle zwei Jahre der Schornsteinfeger und macht eine Immissionsschutzmessung. Wenn die Werte nicht eingehalten werden, macht er Auflagen oder zieht die Anlage im schlimmsten Fall ganz aus dem Verkehr. Im Abwasserbereich gibt es in dieser Hinsicht gar nichts.“ Mit diesem anschaulichen Vergleich brachte Franz Untersteller die Lage im Bereich der privaten Abwasserkanäle auf den Punkt. In einem seiner letzten Vor-Ort-Termine als baden-württembergischer Umweltminister war er in den Ettlinger Teilort Bruchhausen bei Karlsruhe gekommen, um sich über den aktuellen Stand eines Pilotprojekts zu informieren, das ihm am Herzen liegt: Es geht um die Überprüfung und Sanierung privater Anlagen zur Grundstücksentwässerung.

Ettlingen, Blaustein und Stockach

Landesweit sind neben Ettlingen noch Blaustein und Stockach an dieser Studie beteiligt. Ziel ist es, in verschiedenen baden-württembergischen Regionen und unterschiedlich großen Kommunen Erkenntnisse über den Zustand und den Sanierungsbedarf der Abwasserleitungen auf privaten Grundstücken zu sammeln – ein Streckennetz von landesweit schätzungsweise 150.000 Kilometern. „Mit diesem Thema müssen wir uns verstärkt befassen, weil die Kanalsysteme in die Jahre kommen und es nicht in unserem Interesse sein kann, dass schadstoffbelastetes Abwasser nicht in der Kläranlage ankommt, sondern ins Grundwasser gelangt – und wir dann dort Probleme bekommen“, umriss der Minister die Problematik. Und er betonte gleichzeitig das große Interesse des Landes an diesem vom Umweltministerium initiierten und geleiteten Projekt. Es soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein und dann die Grundlagen für das weitere Vorgehen in diesem Bereich bilden.

60 Projektteilnehmer werden gefördert

Konkret fördert das Umweltministerium dabei in den drei beteiligten Kommunen jeweils rund 20 private Projektteilnehmende, deren Grundstücke und Häuser in Wasserschutzgebieten der Zone II oder III liegen. Das Land übernimmt in diesen Fällen die Kosten für die Kanalinspektionen und die erforderlichen Ingenieurleistungen. Wenn dabei Schäden festgestellt werden, die beseitigt werden müssen, gibt es einen Zuschuss von 50 Prozent zu den Sanierungskosten, maximal 5000 Euro pro Grundstück. Als Vorteile für die Eigentümerinnen und Eigentümer der privaten Abwasserkanäle schlagen neben der finanziellen Entlastung eine umfassende Beratung und kontrollierte Qualität bei der Ausführung der Inspektion und eventuellen Sanierung zu Buche, ferner der Nachweis, dass die Entwässerungsanlage dicht ist sowie die damit verbundene Wertsteigerung der Immobilie.

Modellprojekt mit mehreren Partnern

Getragen und begleitet wird das 2018 gestartete Modellprojekt von mehreren Partnern: den drei beteiligten Kommunen, dem Ingenieurbüro Dörschel, dem kommunalen Netzwerk geanetz.plus zur Inspektion und Sanierung privater Entwässerungsanlagen sowie dem baden-württembergischen Landesverband der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Dem Projektteam liegt dabei die persönliche Betreuung der einzelnen Projekte vor Ort sehr am Herzen, wie André Hildebrand, der Geschäftsführer des DWA-Landesverbandes betonte: „Ganz wichtig ist uns der kooperative Ansatz, bei der die Kommune die Grundstückseigentümer berät, denn mit den ingenieurtechnischen Anforderungen an die Entwässerungsanlagen ist jeder Laie eigentlich überfordert.“ Dabei sei auch das Interesse der drei beteiligten Kommunen an dem Projekt groß, berichtet DWA-Mitarbeiterin Cornelia Haag, die für die Projektsteuerung zuständig ist: „Die Zusammenarbeit läuft hervorragend, die Kommunen sind sehr engagiert.“ Ein weiteres wichtiges Anliegen des Projekts ist zudem, die Grundstückseigentümer fundiert zu informieren und vor möglichen Gefahren durch unlautere Firmen – anschaulich auch Kanalhaie genannt – zu warnen. Hierfür hat der DWA-Landesverband eigens einen mobilen Infostand konzipiert.

Auswahl des passenden Wohngebiets

Wie die Umsetzung des Pilotprojekts samt der Betreuung durch die Kommune konkret vor Ort aussieht, erläuterte Christian Baeßler vom Ettlinger Stadtbauamt. Dabei ging es zunächst darum, ein passendes Wohngebiet zu finden. Die Wahl fiel auf eine Reihe von Gebäuden in der Nähe eines Grabens in einer Wasserschutzzone III, was einen hohen Grundwasserspiegel und eine direkte Austauschmöglichkeit zwischen Abwasser und Grundwasser zur Folge hatte. Der moorige Untergrund führt zudem oft zu einer verringerten Lebensdauer der Abwasserleitungen. Das Baujahr der betreffenden Häuser ab 1965 ließ ebenfalls Alterserscheinungen sowie undichte Verbindungen aufgrund der damaligen Abdichtungstechnik erwarten.

21 Grundstückseigentümer

Im nächsten Schritt galt es, freiwillige Teilnehmende an dem Projekt zu finden. Ein Informationsschreiben an die Anwohner und eine anschließende persönliche Kontaktaufnahme bereiteten den Weg für eine Bürgerinformationsveranstaltung im November 2019 mit dem Bürgermeister, Vertretern der Ortsverwaltung und Fachleuten. Nachdem das Projektgebiet erweitert worden war, erklärten sich schließlich 21 Grundstückseigentümer zu einer Teilnahme bereit. Wichtige Gründe für diesen Entschluss waren die Förderung und der Werterhalt der Immobilie, aber auch Umwelt- und Gesundheitsaspekte sowie die Aussicht, dass in absehbarer Zeit aufgrund einer entsprechenden Verordnung die privaten Abwasserkanäle ohnehin geprüft und saniert werden müssen, dann aber ohne Förderung.

Inspektion der Abwasserrohre

Inzwischen ist in Ettlingen – wie auch in den beiden anderen Teilnehmergemeinden Stockach und Blaustein – die Inspektion der Abwasserrohre in den ausgewählten Gebäuden und Grundstücken abgeschlossen. Bisher wurden keine negativen Rückmeldungen registriert, weder von den Teilnehmern noch durch sonstige Projektbeteiligte. Bemerkenswert ist, dass im Rahmen der Kanalbefahrungen bei 12 der 21 Teilnehmer Fehlanschlüsse gefunden wurden, die Abwasserkanäle also nicht ordnungsgemäß angeschlossen waren. Dazu zählt beispielsweise, dass die Regenrinne trotz Trennsystem in die Abwasserleitung entwässert, was die Wassermenge in der Kläranlage und damit die Reinigungskosten erhöht. Erfreulich ist andererseits, dass in keinem Fall Abwasser falsch entsorgt wurde.

Befunde der verschiedenen Untersuchungen

Die allermeisten der geprüften Kanalrohre hatten einen Durchmesser von 10 oder 15 Zentimetern. Wie es in ihrem Innern aussieht, darüber informierte Irina Dörschel vom gleichnamigen Ingenieurbüro – auch mit Hilfe einer anschaulichen Demonstration: Die Mitarbeiter einer Fachfirma inspizierten mit einer Kamera die Abwasserleitungen in einem der Gebäude des Projektgebietes. Insgesamt gehören zu den typischen Schadensbildern Wurzeln, die in die Kanäle eingewachsen sind, ferner Ablagerungen, beim Einbau zurückgelassener Bauschutt, Versinterungen, Inkrustationen, Risse und versetzte Rohre. Die statistische Auswertung ergab, dass etwa drei Viertel der 1,2 Kilometer untersuchten Abwasserleitungen aus Steinzeug waren und knapp ein Viertel aus PVC. Einige Meter Rohre waren aus Polypropylen oder Grauguss. Deutlich bemerkbar machten sich sowohl das fortgeschrittene Alter der Leitungen als auch Schlampereien bei der ursprünglichen Installation: Insgesamt wurden bei etwa zwei Drittel der privaten Abwasserleitungen mittlere, starke und sehr starke Mängel festgestellt. Für den Umweltminister Franz Untersteller ist dies „keine Lappalie“ und ein Beweis dafür, dass „dies ein Riesenthema ist, mit dem wir uns befassen müssen“.

Sanierung maroder Abwasserleitungen

In Ettlingen beginnt nun die nächste Stufe des Pilotprojekts: die Sanierung der maroden Abwasserleitungen. Dafür erstellt das Ingenieurbüro Dörschel für jedes der beteiligten Grundstücke einen eigenen Sanierungsplan, in dem festgelegt wird, welche Leitung mit welchem Verfahren auf Vordermann gebracht werden sollte. So kann manche Reparatur -etwa die Sanierung von Rissen oder das Verpressen undichter Muffen – mit Robotertechnik vom Rohrinnern aus durchgeführt werden. Eine elegante Möglichkeit ist auch die sogenannte Schlauchlinertechnik: In die marode Leitung wird ein mit Harz getränkter Textilschlauch eingebracht, der dann vor Ort aushärtet und die Leitung von innen neu ausgekleidet. Doch manchmal stößt diese Technik an ihre Grenzen, etwa wenn zwei aneinanderstoßende Rohre versetzt sind – ein Fehler, der nicht selten bereits bei der Installation gemacht wurde. Dann können größere Reparaturen oder die Erneuerung beziehungsweise Neuverlegung ganzer Rohrabschnitte erforderlich werden.

Dabei ist es sowohl im Hinblick auf die technisch einwandfreie Durchführung wie auch die Kosten von entscheidender Bedeutung, dass eine zuverlässige Firma die Arbeiten durchführt und zudem eine kompetente Betreuung und Überwachung der Sanierung gewährleistet ist. Beides wird nun in Ettlingen in Angriff genommen. Christian Baeßler, der das Projekt von Seiten der Stadt betreut, erwartet deshalb nun einen deutlich erhöhten Kommunikationsbedarf zwischen Grundstückseigentümern, Gemeinde und Ingenieurbüro – eine Aufgabe, die einen nicht zu unterschätzenden Personalaufwand bedeutet.

Andererseits werden dabei wichtige Erfahrungen gewonnen. Für André Hildebrand ist dieses Pilotprojekt daher eine wichtige Voraussetzung, pragmatische und akzeptable Lösungen für die Fortschreibung der Verordnungen zur Abwasserentsorgung auf privatem Gelände zu erarbeiten: „Wir wollen hier die richtigen Impulse setzen, die der Akzeptanz vor Ort auch Rechnung tragen.“ Diese sei schließlich unerlässlich für eine künftige praxistaugliche Verordnung. „Da sind wir auf einem guten Weg – das zeigt auch dieses Modellprojekt.“

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