Der RSV sieht Verbesserungsbedarf bei der Umsetzung der Trinkwasser-Richtlinie in Deutschland. Die Forderung: Weniger Bürokratie bei der Bewertungsgrundlage KTW-BWGL.
In einem Schreiben an das Umweltbundesamt hat der Rohrleitungssanierungsverband die Dringlichkeit deutlich gemacht: “Wir sehen uns derzeit der Gefahr ausgesetzt, dass Produkte für die grabenlose Sanierung von Trinkwasserversorgungsleitungen ihre deutschen Zertifikate bis zum 21.03.2023 verlieren werden. Damit stehen diese Verfahren in Deutschland zur Netzerhaltung nicht mehr zur Verfügung”, warnen die Unterzeichner Andreas Haacker (RSV-Vorstandsvorsitzender) und Dr. Susanne Leddig-Bahls (Obfrau des Arbeitskreises “Trinkwasserdruckschlauchliner”).
Hintergrund ist die Ende 2020 verabschiedete europäische Trinkwasserrichtlinie, die spätestens im kommenden Jahr in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das deutsche Umweltbundesamt hat im März 2019 die Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) veröffentlicht und damit eine deutsche Rechtsgrundlage geschaffen. Diese enthält – absolut sinnvolle – Regelungen, auch was die verwendeten Materialien im Kontakt mit Trinkwasser und die Konformitätsbestätigung sowie Zertifizierung betrifft. In der praktischen Anwendung der KTW-BWGL hat sich jedoch gezeigt, dass diese für mehrschichtige Systeme nicht umsetzbar ist.
Prüfstellen kommen nicht nach
Bereits Anfang 2020 haben Hersteller damit begonnen, die vom Umweltbundesamt ausgegebene neue Bewertungsgrundlage anzuwenden, um pünktlich alle Konformitätsbewertungen nach dem 1+ System vorlegen zu können. Dass sie diese erhalten werden, steht außer Frage. Das Problem ist die Zeit, da mehrschichtige Systeme eine sehr hohe Anzahl von Einzelstoff- und Substanzprüfungen nach verschiedenen Rechtsgrundlagen erfordern. Dr. Susanne Leddig-Bahls: “Leider haben uns sämtliche Unternehmen und zuständige Prüf-/Zertifizierungsstellen mitgeteilt, dass innerhalb von zwei Jahren nicht einmal die Rezepturprüfung abgeschlossen werden konnte. Aufgrund der neuen Anforderungen und hinsichtlich der Komplexität der Druckschlauchliner sind überproportional viele Zulieferer in die Rezeptuprüfung eingebunden.”
Mit der neuen KTW-BWGL stehe nicht mehr die Migrationen aus dem Endprodukt ins Trinkwasser im Vordergrund, sondern Lieferketten, Rohstoffnachweise und Berechnungsmodelle bis ins kleinste Detail. “Die Prüfungen dauern Jahre, kosten ein Vielfaches dessen, was in anderen Ländern üblich ist und hemmen Innovationen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen werden übermäßig belastet. Die Rezeptur- und Migrationsprüfungen nach der bisherigen KTW-Richtlinie ließen sich noch innerhalb von sechs Monaten abschließen”, so Leddig-Bahls.
“Nicht im Sinne von Netzbetreibern und Verbrauchern”
Nach Ansicht des RSV-Vorsitzenden Andreas Haacker sind hohe Anforderungen im Trinkwasserbereich gerechtfertigt und sinnvoll – sie müssen jedoch in vertretbarer Zeit umsetzbar sein. “Grabenlose Sanierungssysteme für Trinkwassernetze bieten seit einigen Jahren endlich die Möglichkeit, ohne großen Aufwand und mit hoher Sicherheit Druckrohre zu sanieren – oft als einzige Lösung, weil beispielsweise korrodierte Altrohre nicht ausgebaut werden können. Der unverhältnismäßige bürokratische Aufwand der KTW-BWGL hat nun zur Folge, dass unsere Trinkwasserinfrastruktur weiter überaltert und sich Havarien häufen. Das dürfte nicht im Sinne der Netzbetreiber und schon gar nicht der Verbraucher sein, die bisher in Deutschland an eine sichere Versorgung und ein hohes Qualitätsniveau beim Trinkwasser gewohnt sind.”
RSV sucht das Gespräch
Die “Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen GebrauchTrinkwasserverordnung (TrinkwV)” stammt aus dem Jahr 2001 und wurde in den vergangenen 12 Jahren sechsmal überarbeitet, zuletzt 2021. In der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Gesundheit zuständig das Thema. Das Umweltbundesamt (UBA) leistet fachliche Zuarbeit.
Die EU-Trinkwasserrichtlinie, die 2020 veranbschiedet wurde, hat u.a. zum Ziel, dass in der gesamten EU Leitungswasser bedenkenlos getrunken werden kann.
Der RSV bemüht sich um den direkten Kontakt zum UBA, um eine Lösung für die zeitliche Problematik zu finden. Diese könnte in der Verlängerung der Prüfungsfristen liegen oder in einer modifizierten Umsetzung der Rezepturprüfungen für mehrschichtige Systeme.
Über die Sanierungssysteme
Durch Druckschlauchliner in Versorgungsleitungen wurden erstmals Rohrleitungen grabenlos sanierbar, für die es vorher keine technische Lösung gab und eine Renovierung nahezu undenkbar war. Auf dem Trinkwasserversorgungsmarkt haben sich Schlauchliner zur Rohrnetzsanierung etabliert – vor allem dort, wo grabende Verfahren nicht möglich sind. Druckschlauchliner bieten die Möglichkeit, defekte Rohrleitungen grabenlos und nachhaltig zu sanieren und damit die Versorgungssicherheit in Deutschland aufrecht zu halten, der steigenden Netzalterung entgegenzuwirken, Wasserverluste zu reduzieren und das Anlagevermögen zu sichern.
Download RSV-Merkblatt 1.3
Trinkwasserzugelassene Schlauchlinersysteme werden bereits seit einigen Jahren in der Praxis eingesetzt, die normativen Grundlagen lassen jedoch Fragen offen. Um Auftraggebern und Ingenieurbüros Sicherheit bei der Planung, Ausschreibung und Bewertung von Systemen zu geben, hat der RSV erstmals ein entsprechendes Merkblatt erarbeitet: RSV-Merkblatt 1.3 “Renovierung von Trinkwasserleitungen mit Druckschlauchlinern”
(Quelle: RSV)