Das erste Beiblatt zum Entwurf des DVGW-Arbeitsblattes GW 22 “Maßnahmen beim Bau und Betrieb von Rohrleitungen im Einflussbereich von Hochspannungs-Drehstromanlagen und Wechselstrom-Bahnanlagen” erscheint textgleich mit dem Beiblatt AfK 3-B1 der AfK-Empfehlung Nr. 3 und der Technischen Empfehlung Nr. 7 der Schiedsstelle für Beeinflussungsfragen – Ergänzende Hinweise zu Betriebszuständen von Drehstrom-Hochspannungsfreileitungen. Aufgrund der weiteren Ergänzungen von Maßnahmen der Freileitungsbetreiber wird eine erneute Entwurfsveröffentlichung des Beiblattes notwendig.
Der Entwurf des Beiblattes wurde vom Technischen Komitee “Außenkorrosion”, von der Arbeitsgemeinschaft DVGW/VDE für Korrosionsfragen (AfK), in der außer Mitgliedern des DVGW und des VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.) auch Vertreter der Deutschen Bahn AG, der Telekom Deutschland GmbH, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) und des Wirtschaftsverbandes Erdöl und Gas (WEG) mitarbeiten, im Einvernehmen mit anderen Fachgremien und unter Beachtung bereits bestehender Bestimmungen erarbeitet.
In dem Beiblatt werden folgende Aufgabenstellungen behandelt:
- Einpolige automatische Wiedereinschaltung (AWE) der fehlerbehafteten Phase eines Drehstromsystems mit niederohmiger Sternpunkterdung im Erdkurzschlussfall,
- witterungsabhängiger Freileitungsbetrieb (auch als “Freileitungs-Temperatur-Monitoring” beschrieben).
Bei einer temporären einpoligen Abschaltung des fehlerbehafteten Leiters im Erdkurzschlussfall kann es im Rahmen einer automatischen Wiedereinschaltung (AWE) unter Einhaltung der gültigen Kriterien zum Berührungsschutz nach DVGW-Arbeitsblatt GW 22 zu unzulässigen Berührungsspannungen an beeinflussten Rohrleitungen kommen. Die einpolige AWE ist übliche Praxis zur Klärung von Erdkurzschlüssen in Hochspannungsnetzen mit niederohmiger Sternpunkterdung. Dabei verbleiben die beiden fehlerfreien Phasen bis zur Wiedereinschaltung im Netz. Für eine detaillierte Prüfung der Gefährdungssituation müssen entsprechende Leitungen identifiziert werden, bei denen es zu einer Grenzwertüberschreitung kommen kann.
Bei einem einpoligen Erdkurzschluss in Drehstromnetzen mit starrer Sternpunkterdung kann es bei Anwendung der “einpoligen automatischen Wiedereinschaltung” zu einer unmittelbaren Aufeinanderfolge zeitlich begrenzter Beeinflussungsspannungen von U > 60 V auf der Rohrleitung kommen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurde diese Belastungssituation in den bekannten elektrophysiologischen Untersuchungen zur Einwirkung des Stromes auf den menschlichen Körper noch nicht untersucht, so dass – unter Berücksichtigung eines konservativen Ansatzes – derzeit nur die Grenzwerte nach Tabelle 19 des ITU-T-Dokumentes K 68 Anwendung finden könnten. Im Bewusstsein, dass für diesen Beeinflussungsfall die Einhaltung der genannten Grenzwerte auf manchen Beeinflussungsabschnitten aufgrund der endlichen spannungsreduzierenden Wirkung von Maßnahmen an der Rohrleitung nicht zu erreichen ist, erscheinen hier weitere elektrophysiologische Untersuchungen bzw. Konzepte zur Verkürzung der Einwirkdauer des Ereignisses auf t < 1 Sekunde sinnvoll. Weiterhin wird die Problematik temporärer Überschreitung der für Normbedingungen festgelegten thermischen Grenzströme bei witterungsabhängigem Freileitungsbetrieb erörtert. Eine mögliche Anhebung der maximalen Betriebsströme durch einen witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb erhöht die induktive Beeinflussung und damit die Berührungsspannung auf parallelen Rohrleitungen. Im Einflussbereich von Hochspannungsleitungen mit witterungsabhängigem Freileitungsbetrieb ist daher eine Neubewertung der induzierten Spannungen mit den zukünftig maximal zu erwartenden Betriebsströmen erforderlich. Etwaige Grenzwertüberschreitungen müssen durch Schutzmaßnahmen kompensiert werden.
Einspruchsfrist: 18.11.2016