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Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener sieht die Chance, dass sich mit dem Einsatz von KI eine neue „Deutschlandgeschwindigkeit“ für anstehende Projekte erreichen“ lässt
IRO e.V. - Foto: Hauke-Christian Dittrich

36. Oldenburger Rohrleitungsforum: mit Künstlicher Intelligenz in die Zukunft

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Autor: Kathrin Mundt

„Wasser, Abwasser, Strom, Gase – mit Künstlicher Intelligenz in die Zukunft“ lautete das Motto, um das sich auf dem 36. Oldenburger Rohrleitungsforum am 8. und 9. Februar (fast) alles drehte. Künstliche Intelligenz gilt als zukunftsweisende Technologie. Künstliche Intelligenz ist die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. Sie ermöglicht es technischen Systemen, ihre Umwelt wahrzunehmen, mit dem Wahrgenommenen umzugehen und Probleme zu lösen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Chance für eine neue „Deutschlandgeschwindigkeit“?

Welche Bedeutung wird das für die Branche – insbesondere für Verfahren, Produkte und Arbeitsabläufe – haben, wenn Maschinen intelligenter werden? „KI ist im Moment das Bestreben, Prozesse weiter zu digitalisieren und zu automatisieren“, sagte Prof. Dipl.-Ing. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V. und Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg. „Schauen wir in die Planungs-, Bau- und Betriebswelten der unterirdischen Infrastruktur, so sind für mich schon heute überraschend viele Anwendungsbeispiele zu sehen.“ Für Wegener geht es dabei überwiegend um betriebliche Herausforderungen in der Wasserwirtschaft. Aber auch in der Antrags- und Genehmigungsplanung sieht er Potenzial. „Vielleicht lässt sich mit dem Einsatz von KI tatsächlich eine neue „Deutschlandgeschwindigkeit“ für anstehende Projekte erreichen“, stellt Wegener eine überaus interessante These in den Raum.

KI ist ein Werkzeug und nicht die Antwort auf alle Fragen

„KI ist ein Werkzeug und nicht die Antwort auf alle Fragen“, sagt Dr. Michael Neupert.

Für Rechtsanwalt Dr. Michael Neupert, Kümmerlein Rechtsanwälte und Notare, haben Genehmigungsverfahren für Großprojekte jedenfalls einen schlechten Ruf. „Sie sind kompliziert, langwierig, unproduktiv und fehlerträchtig. Die Antragsunterlagen sind umfangreich, die Öffentlichkeit und die Fachbehörden beteiligen sich mit teils unvorhersehbaren Forderungen, die Ressourcenknappheit bei den Behörden verlangsamt die Bearbeitung und das Recht schafft Zielkonflikte, was zu langwierigen Diskussionen im Einzelfall führt“, bringt es Neupert auf den Punkt. Allerdings vertritt er auch die Meinung, dass KI bei Informationsbereitstellung, -ermittlung und -aufbereitung helfen kann. Dadurch könne die Grundlagenermittlung beschleunigt werden, ist Neupert überzeugt.

Wieviel Mensch ist nötig?

Potenzial hat für Neupert die Idee, KI bei der inhaltlichen Arbeit einzusetzen und Eingaben aus der Beteiligung von Öffentlichkeit und Behörden auszuwerten. Denkbar erscheint auch die Produktion von definierten Textvorlagen, Textvorlagen auf den konkreten Einzelfall anzupassen oder andere Genehmigungsbescheide nach vergleichbaren Sachverhalten und Lösungen zu durchsuchen, um Best Practices aufzuzeigen und Nebenbestimmungen vorzuschlagen. Die Kernfrage lautet: Wieviel „Mensch“ braucht man dafür, damit es unter dem Strich schneller geht? Denn eine inhaltliche Prüfung wird nicht dadurch entbehrlich, dass ein Computer Informationen zusammenfasst oder paraphrasiert.

Ausbaufähig ist auch die Vorgehensweise, KI bei der Bewertung von Genehmigungsvoraussetzungen einzusetzen. Da diese Prüfung gegen den Antrag stattfindet und nicht gegen die Außenwelt, ist ein automatischer Abgleich nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings müssen die Antragsunterlagen nicht nur auf bloße Existenz, sondern auch auf Plausibilität geprüft werden. Ob KI das demnächst kann, darf man fragen. Es gilt also, die Aufgaben zu identifizieren, bei denen KI zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren eingesetzt werden kann. Die Herausforderung wird darin liegen, den unverbindlichen Vorschlag eines Expertensystems kritisch zu würdigen. „Denn KI ist ein Werkzeug und nicht die Antwort auf alle Fragen“, so Neupert.

Aufmerksamkeit stark gestiegen

Prof. Dr. Thomas Brinkhoff ist überzeugt, dass sich der berufliche Alltag durch den Einsatz von KI künftig weiter verändern wird

Auch Prof. Dr. Thomas Brinkhoff, Jade Hochschule Wilhelmshaven/ Oldenburg/ Elsfleth, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik (IAPG), ist der Meinung, dass Methoden und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in letzter Zeit eine stark gestiegene Aufmerksamkeit sowohl in der Wissenschaft und Technik als auch in der Wirtschaft und Öffentlichkeit erfahren haben. „Die Fähigkeiten großer Sprachmodelle wie ChatGPT oder der Bildanalyse und -generierung durch Deep-Learning-Verfahren auf Basis künstlicher neuronaler Netze beeindrucken viele Menschen und ermöglichen die Entwicklung vieler neuer Anwendungen und Lösungen“, ist Brinkhoff überzeugt. „Bei wissenschaftlichen Kongressen verwendet inzwischen häufig ein Großteil der vorgestellten Arbeiten Verfahren der Künstlichen Intelligenz.“ Gleichzeitig herrsche auch ein gewisses Unbehagen über diese Entwicklung, deren Grenzen und Gefahren sich nur schwer einschätzen ließen; Medienmanipulation über Deepfakes sei ein Beispiel hierfür.

Durch KI-Einsatz wird sich der berufliche Alltag künftig weiter verändern. Auch ein so bodenständiges Thema wie Leitungen für Wasser, Abwasser, Strom, Telekommunikation und Gas kommt an dem Einsatz von Methoden und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz nicht vorbei. Ein Blick in das Programm des Rohrleitungsforums bestätige das: „Ein wichtiger Bereich ist der KI-Einsatz bei der Zustandsbewertung von Rohrleitungen, Kanälen und zugehörigen Einrichtungen im Rahmen von Inspektionen“, so Brinkhoff. „So reduziert eine automatisierte Auswertung von Inspektionsdaten von Abwasserrohren zum einem die manuellen Aufwände und ermöglicht zum anderen eine vorausschauende Instandhaltung.“

KI in der Praxis

Darüber hinaus weist Brinkhoff auf weitere Anwendungsbeispiele hin. So etwa die Planung von Glasfasernetzen, bei der Deep Learning im Zusammenspiel mit einem Geoinformationssystem (GIS) genutzt wurde, um Baumkronen in Luftbildern zu identifizieren. Planungsaufgaben seien zudem ein anderer großer Bereich für den KI-Einsatz, etwa mit Blick auf Leitungsnetze, Instandhaltungsmaßnahmen und größere Baumaßnahmen. Einen weiteren Anwendungsbereich bildet die Steuerung von Leitungs- und Kanalnetzen, um die vorhandenen Ressourcen effizient einsetzen zu können. „Viele Rohre sind unterirdisch verlegt, die konkrete Situation im Untergrund ist aber häufig nur in Teilen bekannt“, stellt Brinkhoff fest. „Hierbei kann Künstliche Intelligenz helfen, ein Gesamtbild zu erzeugen. Ähnliches gilt für den Nachweis der Wirksamkeit von eingesetzten Verfahren, beispielsweise beim Korrosionsschutz.

Nicht nur ein Thema für die Techbranche

Dr.-Ing. Michael Janzen ist der Meinung, dass sich durch Künstliche Intelligenz auch der Wasserwirtschaft enorme Möglichkeiten eröffnen werden

Dass das Werkzeug Künstliche Intelligenz bei Netzbetreibern und Versorgern Einzug gehalten hat, verdeutlicht der Einsatz von KI beim Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband (OOWV). „Künstliche Intelligenz ist mitnichten nur ein Thema der Techbranche. Die großen Fortschritte der Technologie eröffnen auch der Wasserwirtschaft enorme Möglichkeiten“, lautet das Statement von Dr.-Ing. Michael Janzen, Abteilungsleiter Asset Management und strategische Planung, OOWV. Für den Verband sind Automatisierung und selbstständige Datenverarbeitung wichtige Werkzeuge, um große Mengen an unterschiedlichsten Infrastruktur- und Umweltdaten in Echtzeit zu verarbeiten. Beispielsweise können mithilfe speziell trainierter Künstlicher Intelligenz Leckagen, Alterungsprozesse der Infrastruktur oder Starkregenereignisse frühzeitig erkannt werden. Auch die Prognose sowie die Steuerung des Wasserbedarfs in Hitzesommern ist ein denkbares Einsatzfeld dieser Technologie.

Interdisziplinäre Lösungsansätze

Da auch die behördlichen Anforderungen an die von Wasserver- und Abwasserentsorgern zu erhebenden Daten steigen, profitiert der OOWV auch auf dieser Ebene von einer strukturierten Datenerfassung, -speicherung und -analyse. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat der OOWV ein Data Science Team aufgebaut, das durch Methoden des maschinellen Lernens, der Künstlichen Intelligenz und der Datenanalyse Prozesse und Lösungen mit unterschiedlichsten Fachbereichen löst. Thema hier ist u.a. eine Starkregenfrühwarnung in der Stadt Oldenburg. „Ziel ist es, ein engmaschiges Messnetz zu installieren und mittels KI-Methoden zeitnah bevorstehende Niederschlagsereignisse zu ermitteln“, so Janzen. „Die Kalibrierung von Kanalnetzmodellen soll so weiter verfeinert werden, damit schneller auf Starkregenereignisse reagiert werden kann. Die Erkenntnisse und Funktionalitäten sollen langfristig im Niederschlagsdatenmanagementsystem des OOWV implementiert werden.“

Erste Schritt in eine Wasserwirtschaft 4.0

„All diese Dinge bringen den OOWV hin zu mehr datengetriebenen Lösungsansätzen. Data Science ist nicht nur eine Möglichkeit, um den steigenden Anforderungen in der Wasserwirtschaft zu entsprechen. Sie stellt gleichzeitig eine Gelegenheit dar, betriebliche Abläufe zu optimieren und neue Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen. Dieser Weg erfordert jedoch nicht allein technologische Investitionen, sondern impliziert auch eine kulturelle Veränderung innerhalb des Unternehmens im Umgang mit Daten und deren Analyse“, skizziert Janzen den Weg in die Zukunft.

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